Die Bilder, die wir jeden Tag aus Griechenland sehen, sind eindrucksvoll – riesige Demonstrationen und Generalstreiks, mit Knüppeln bewaffnete Demonstrant_innen, die sich gegen Polizeigewalt wehren und die immer ratlosere Regierung. Zuletzt ging durch die Medien, dass Ministerpräsident Papandreou gar eine Volksabstimmung über den geplanten Ausverkauf des Landes durchführen wolle. So wie die Sparpläne der „sozialistischen“ PASOK-Regierung zeigten, dass sie in Wirklichkeit nicht für sondern gegen die arbeitenden und armen Teile der Bevölkerung kämpft zeigte diese Ankündigung wie verzweifelt die Regierung ist. Doch noch eindrucksvoller war der Aufschrei, der durch die „demokratischen“ Regierungen und Medien Europas ging – und deren Druck Papandreous Pseudo-Vorschlag schließlich in die Knie zwang. Denn mit seinem Vorschlag einer Volksabstimmung hatte der griechische Ministerpräsident die wichtigste Regel der kapitalistischen Demokratie gebrochen: Gemacht wird was das Kapital entscheidet - nicht was das Volk will.
Griechenland steht nach den Erschütterungen der Staatsschuldenkrise im Zentrum des Klassenkampfes in Europa. Mit der Abwertung der Staatsanleihen durch Ratingagenturen und Finanzmärkte stieg die Staatsverschuldung (auch wegen der damit anfallenden höheren Zinsen) auf zwischen 142% und 150% des Bruttoinlandsproduktes. Der Großteil dieser Ansprüche (also der Staatsanleihen und sonstigen Kreditpapiere) liegen mittlerweile in den Händen der reichsten EU-Länder, vor allem bei deutschen und französischen Banken, aber auch der Internationale Währungsfond (IWF) besitzt einen großen Teil . Jedoch werden auch eine Menge privater Gläubiger_innen (also Personen, denen Geld geschuldet wird) bedient, die von der Krise in Griechenland massiv profitieren. Mittlerweile ist die Situation jedoch so außer Kontrolle geraten, dass die Krise in Griechenland auch die Interessen der Kapitalist_innen auf der ganzen Welt bedroht. Darum wird mit dem so genannten „Schuldenschnitt“ ein Deal zwischen EU-Spitzen, Gläubiger_innen und der griechischen Regierung eingefädelt. Der basiert im Großen und Ganzen darauf, dass die EU der griechischen Regierung mit billigeren Krediten hilft, wenn in Griechenland ein wirtschaftlicher Rundumschlag gegen Arbeiter_innen, Jugendliche und Arme durchgeführt wird. Das umfasst unter anderem Kürzungen und Entlassungen von etwa 50% im öffentlichen Dienst und der Zurücknahme der Kollektivverträge in den meisten Branchen der Privatwirtschaft, was Lohnkürzungen um die 20% bedeuten wird. Kurz und gut, gemeinsam verkaufen EU-Spitzen und PASOK-Regierung die griechische Bevölkerung an heimischen und internationale Kapitalist_innen!
Der Widerstand gegen die Sparpläne und den Ausverkauf hat verschiedene Gesichter. Auf der einen Seite steht die stalinistische KKE (Kommunistische Partei Griechenlands) und die von ihr kontrollierte PAME-Gewerkschaft. Die Instabilität der letzten Jahre haben ihr regen Zulauf beschert und sie kontrolliert einen guten Teil der momentan stattfindenden Kämpfe– anders als beispielsweise während der Jugendaufstände 2008 nach der Ermordung eines 15-Jährigen durch die Polizei, als sie sich nicht nur von den Kämpfen fernhielt, sondern sie sogar verurteilte. Mit bewaffneten Ordnern verteidigen die PAME-Ordner_innen auf Demonstrationen die Protestierenden gegen die Polizei so gut sie können – die KKE-Kräfte sind schlagkräftig und in der Lage, große Massen zu organisieren. Doch es fehlt ihnen an einem revolutionären Programm für die Proteste, ihre Zugeständnisse an das bürgerliche System hindern sie daran, den Kampf konsequent zu eskalieren und zu einem Sieg zu führen. Die Aussagen und Aktionen der letzten Monate deuten jedoch darauf hin, dass die KKE versucht, sich als seriöse Alternative zur PASOK-Regierung zu präsentieren – Ein Vorhaben, das mit dem Verrat der Arbeiter_inneninteressen zugunsten der „Regierungsfähigkeit“ einhergeht.
Die seit den Protesten nach dem Polizeimord an Alexandros Grigoropoulos im Jahr 2008 af der ganzen Welt bekannte kampfbereite anarchistisch-autonome Szene stellt zwar sehr wohl einen Anspruch auf die Führungsrolle in der Bewegung. Auf der einen Seite handelt es sich bei dieser Szene jedoch um ein loses Spektrum verschiedener Gruppen und Einzelpersonen, die zwar solidarisch zusammen kämpfen, sich jedoch auf Minimalkonsens oder gemeinsame Aktionsformen im Kampf gegen die Polizei nicht immer wehren wollen oder können . Nach den Kämpfen zwischen PAME-Ordner_innen und anarchistischen Gruppen in Athen vor ein paar Wochen gab es sogar Kräfte, die den „historischen Kampf zwischen Kommunismus und Anarchismus“ beschworen und weitere Angriffe auf KKE-Kräfte befürworteten (doch auch die KKE war nicht zimperlich in der Auseinandersetzung und nannte die angreifenden Autonomen später Anarchofaschisten). Mit ihrem sehr diffusen Einheitsfront-Verständnis und dem schwachen Zusammenhalt sind die Anarchist_innen nicht in der Lage, die Masse der Bevölkerung zu mobilisieren oder den Kampf zu radikalisieren. Ebenso wenig ist es das linksreformistische „SYRIZA“-Bündnis. Zwar beteiligen sich zahlreiche zentristisch-trotzkistoide (sich auf Trotzki berufende, aber nicht revolutionäre) Gruppen an diesem Bündnis, dessen Analyse und programmatische Perspektive der Bewegung noch am ehesten zutreffend ist. Doch die Gruppe, die nicht einmal ein Regierungsbündnis mit der PASOK ausschließen will ist nicht in der Lage, die militantesten Teile der Gesellschaft anzusprechen, geschweige denn anzuführen.
Nein, der Weg für die griechischen Arbeiter_innen und Jugendlichen liegt nicht in den bestehenden Organisationen. Wo die Stalinist_innen den Kampf vereinnahmen und für eine Regierungsbeteiligung aufs Spiel setzen würden haben weder die anarchistischen Kräfte noch „SYRIZA“ eine echte Perspektive für die Bewegung. Echte Revolutionär_innen müssen daher zwei Sachen in Angriff nehmen: Auf der einen Seite die breite Organisierung der Kämpfe – in Räten und Stadtteilversammlungen. Diese Strukturen müssen die Aufgaben, für die sich die Regierung zu unfähig erweist in Angriff nehmen – Nahrungsversorgung, öffentlichen Straßenverkehr, aber auch die Koordinierung der Kämpfe und eines unbefristeten Generalstreiks, also die Verteidigung der griechischen Bevölkerung gegen den EU-Ausverkauf! In diesen Komitees müssen Revolutionärinnen und Revolutionäre um ein fortschrittliches, ein konsequent revolutionäres Programm kämpfen und so ihre taktischen und programmatischen Vorschläge der breiten Masse näher bringen. Auf der anderen Seite jedoch kann ein Kampf, wie er in Griechenland gerade um die Macht stattfindet, nicht gewonnen werden wenn keine revolutionäre Kraft besteht. Darum müssen sich Revolutionär_innen in Griechenland jetzt abseits der bestehenden Organisationen zusammen finden und eine neue Gruppe oder Partei auf Basis eines revolutionären Programms mit internationalistischer Ausrichtung zu gründen. Auch die Kämpfe der meist unorganisierten Jugendlichen und jungen Arbeiter_innen gilt es, in einer breiten antikapitalistischen Organisation zusammen zu fassen. REVOLUTION versucht über seine Kontakte in Griechenland , diese Organisierung voran zu treiben.
Das Programm aber, das in die Räte und Komitees getragen werden sollte muss auf simplen Grundforderungen aufbauen, die die gegenwärtige Krise erfassen und einen Weg aufzeigen, der am Bewusstsein der kämpfenden Bevölkerung ansetzt und über die Grenzen des Kapitalismus hinausgeht. Wir nennen das die Methode des Übergangsprogramms. Der Bewegung sollten folgende Forderungen vorgeschlagen werden:
- Kampf mit allen Mitteln (Generalstreik, Blockaden, Besetzungen, Vertreibung der Polizei, etc.) bis diese Regierung der Banken und Konzerne fällt! Gegen das Diktat der Bosse und Gläubiger_innen, die von der Krise profitieren wollen!
- Bildung von demokratischen Aktionskomitees in den Betrieben, um Lohnkürzungen und Betriebsschließungen verhindern zu können. Diese Komitees müssen sich mit den Vollversammlungen auf den diversen Plätzen vernetzen und den Kampf im ganzen Land zentral und demokratisch zu organisieren.
- Unbefristeter Generalstreik, Betriebsbesetzungen und Arbeiter_innenkontrolle der Produktion, Organisierung von Räten, die die Kontrolle übernehmen!
- Kein Cent an die Gläubiger_innen, kein Zugeständnis an die Einspar-Forderungen der EU – stattdessen sollen die Kernindustrien (Metallproduktion, Transport, Energie, Lebensmittelverarbeitung) unter Arbeiter_innenkontrolle enteignet werden!
- Fasst die bestehenden Banken zu einer Staatsbank zusammen, die grundlegende Aufgaben erfüllt (Kontenverkehr, Kredite, Sparbücher, etc.) Schluss mit dem Ausverkauf der Arbeiter_innen auf den Börsen!
- Gegen die Arbeitslosigkeit – statt zu entlassen sollen die bestehenden Arbeitsplätze bei gleichbleibendem Lohn auf alle Hände aufgeteilt werden! Die Spaltung in Arbeiter_innen (die um ihren Job fürchten) und Arbeitslose (die um weniger Geld zu arbeiten bereit wären) nützt nur unseren Ausbeuter_innen!
- Nieder mit der Regierung, die neue Regierung muss sich auf die demokratischen Gremien der ArbeiterInnen stützen!
Tatsächlich schien es ja in den letzten Wochen bevor Papandreou fiel als würde der Druck auf der Straße den Premier in die Knie zwingen als er eine Volksabstimmung über den Sparkurs ankündigte. Es wäre zwar wichtig gewesen, um diese Abstimmung zu kämpfen, doch war damals schon klar dass es sich dabei nur um ein Manöver handelte, ein zweischneidiges Manöver nämlich. Zuerst wollte die PASOK die Opposition in die Sparpläne (egal ob mit oder ohne Abstimmung, von den massiven Einschnitten hätten sie sich auch ohne EU nicht verabschiedet) einbinden, und sich zusammen mit rechten Hardlinern von der LAOS („orthodoxer Volksalarm“) und der konservativen Nea Dimokratia gegen die Vereinnahmung der EU stellen. Zu spät jedoch für ihn – die EU zwang ihn mangels Rückhalt in diesem prinzipienlosen Block aus Rechtsextremen, Bürgerlichen und der Arbeiter_innenverrats-Partei PASOK zur Rücknahme der Volksabstimmung. Jetzt haben LAOS, ND und die rechteren Teile der PASOK Papandreou demontiert um gemeinsam mit der EU ihre Interessen zu wahren – und das ist der zweite Teil des Manövers. Der Anführer dieses Bündnis ist der neue Premier Papademos, dessen Profil gut zum Programm dieser Regierung passt – er ist ein Technokrat („Experte“ ohne starkes politisches Profil), ein klassischer Neoliberaler und wird von den Bürgerlichen wegen seiner Erfolge in der Privatisierung gefeiert. Diese Erfolge bestehen - eh klar - aus Massenentlassungen und Lohnkürzungen für die arbeitende Bevölkerung.
Angesichts der Tatsachen, aber auch der Geschichte der letzten Jahre muss Griechenland als das Zentrum des Klassenkampfes in Europa betrachtet werden. Nicht nur die massiven Kämpfe der letzten Jahre, die massive Polizeigewalt als Ausdruck des Klassenkampfs von oben und die Einschüchterungspolitik zeigen die Klassengegensätze besonders zugespitzt auf. Auch die Widersprüche innerhalb der Linken zeigt wie die Klasseneinflüsse von außen auf die verschiedenen Organisationen wirken und die revolutionären Worte mit Taten vertauschen, die eher ihren wahren Interessen entsprechen. Bei den Stalinist_innen sind das die Funktionärsschicht die um Einfluss kämpft, bei den Anarchist_innen die Planlosigkeit des Kleinbürgertums aber auch die Heldenhaftigkeit derer, die nichts zu verlieren haben. Am schlimmsten zeigt das Beispiel der SYRIZA wie rechts-zentristisches Gerede im Angesicht des Kampfes immer mehr von den kleinbürgerlichen Interessen an Regierungsbeteiligung und Reformismus korrumpiert werden. Trotzdem ist der zu beobachtende Re-Gruppierungsvorgang in der Arbeiter_innenklasse Anlass zu mehr Hoffnung.
Nicht nur sind die griechischen Kämpfe im Moment Symbol für die Zustände in der EU, auch die Rolle der griechischen Arbeiter_innenklasse ist vorbildhaft für Kämpfende in ganz Europa – von den „Indignados“ in Spanien über die Bildungsstreiks in Deutschland bis hin zu jeder_m unzufriedenen Schüler_in in Österreich. Von den Kampfmethoden, aber auch der Standhaftigkeit und der Solidarität der griechischen Kämpfenden müssen die Bewegungen auf der ganzen Welt lernen. Doch das ist kein One-Way-Ticket: Auch der Fokus der Solidarität muss sich auf die griechische Arbeiter_innenklasse richten. Gerade für Jugendliche und die schwächsten Teile der Gesellschaft sind die Kürzungen in Griechenland das Damoklesschwert der kapitalistischen Verwertungslogik, ein Damoklesschwert das schnell auf unsere Köpfe hinunter sausen kann wenn sich die Krise ausweitet.
Internationale Solidarität, Druck auf die eigenen Regierungen sind das Wort der Stunde – Nein zur chauvinistischen „Pleitegriechen“-Hetze, nein zum Ausverkauf der griechischen Bevölkerung durch unsere Staatschefs. Unsere Feinde sitzen in unseren Parlamenten und der EU-Kommission, unsere Verbündeten stehen am Syntagma-Platz! Die Kämpfe in Griechenland ist ein zweischneidiges Schwert – wenn es nicht gelingt, sie auszuweiten können sie nicht siegen, siegen sie nicht, so trifft die Niederlage unsere Klasse überall!
Gegen Regierung und Bosse – in Österreich wie in Griechenland. Der Hauptfeind steht im eigenen Land!
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