Internationale Stellungnahme zur Revolution in Libyen:
Die Revolution in Libyen hat das Gaddafi-Regime gestürzt, der alte Despot wurde getötet und der Nationale Übergangsrat hat die Macht übernommen. Während dessen flammen Proteste in Ägypten gegen das herrschende Militär auf, welches den Übergang verzögert und weiterhin starke Repression ausübt. Das zeigt, dass die Revolutionen in Tunesien, Ägypten, oder Libyen noch nicht vorbei sind, sondern die Frage aufwerfen, wer nun an der Macht ist und in wessen Interesse, wer die Kontrolle über den Übergangsprozess hat, und wie es weitergeht.
Von der kapitalistischen Krise zum Bürgerkrieg
Der arabische Frühling muss in einem internationalen Kontext gesehen werden, welcher durch eine enorme weltweite Krise des kapitalistischen Systems gekennzeichnet ist. In vielen Ländern ging diese Krise mit Inflation, enormen Preissteigerungen bei Nahrung und den wichtigsten Gütern zum Leben, Arbeitslosigkeit und Armut einher. Ein brutaler Ausdruck dafür ist die Selbstverbrennung von Mohammed Buazizis, welche auch als Auslöser der tunesischen Revolution gilt. In Libyen folgte der Aufstand etwas später, im Jänner 2011. Die unterdrückte Opposition organisierte ein Treffen mit Machthaber Gaddafi und forderte bessere Wohnbedingungen, bessere Bildung, Arbeitsplätze, sowie Presse- und Meinungsfreiheit. Ihre Forderungen wurden abgelehnt, und nach den „Tagen der Wut“ kam es am 17. Februar zu gewaltsamen Zusammenstößen und regelrechten Massakern an Protestierenden im ganzen Land. Am Anfang behauptete Gaddafi es handle sich bei den Protesten um eine islamistische Verschwörung, doch damit wollte er dem Westen nur seine Nützlichkeit im „Krieg gegen den Terror“ erklären. In Wirklichkeit waren die Aufstände von den Massen verarmter KleinbürgerInnen, ArbeiterInnen, Arbeitslosen und Jugendlichen getragen, und vereinten verschiedene politische, religiöse, und ethnische Gruppen gegen das Regime. Diese Proteste waren klar von jenen in Tunesien und Ägypten inspiriert, anders als dort entwickelten sie sich in Libyen wegen der blutigen Repression jedoch schnell in einen brutalen Bürgerkrieg, denn Gaddafi versuchte mit allen Mitteln an der Macht zu bleiben. Die Leute sollten mit schwer bewaffneter Polizei, Militär, Söldnern, Panzern und sogar Flugzeugen nieder gehalten werden. Nachdem die Rebellen Benghazi erobert hatten – was das Zentrum der Revolution wurde – erlitten sie einige Rückschläge, konnten ihre Position aber nach einiger Zeit wieder stabilisieren. Durch koordinierte Aktionen mit Stammesführern, Milizen, und Luftunterstützung der NATO kämpften sie sich ihren Weg nach Tripolis.
Die NATO Intervention
Es ist sehr fragwürdig wie sich der Konflikt entwickelt hätte, hätte die NATO nicht eingegriffen. Ihre Bombardements spielten eine wichtige Rolle im Bürgerkrieg, Gaddafis Flugzeuge wurden abgefangen, gegnerische Stellungen und Waffenlager konnten zerbombt werden, jedoch auch einige Wohngebiete, Schulen, und Krankenhäuser. Die NATO behauptete für den Schutz von ZivilistInnen, gegen die brutale Diktatur und für Demokratie zu kämpfen. Aber da ist nur eines, wofür sie wirklich kämpfen: Profit. Die imperialistischen Staaten haben immer schon böse Diktatoren unterstützt, ihnen sogar zur Macht verholfen, wenn es der nationalen KapitalistInnenklasse nützlich war, und sie tun es auch heute noch und da waren und ist ihnen Demokratie und Menschenrechte egal. In Libyen sind es besonders die Interessen des britischen, französischen und US Imperialismus, die zum Ziel haben die Region zu stabilisieren, und sich bei den Rebellen beliebt zu machen, um ihre Verträge zur Ölförderung und ihre Möglichkeiten zur weiteren Ausbeutung des Landes zu sichern. Das ist der Grund warum sie versuchen so eng wie möglich mit dem Nationalen Übergangsrat zusammen zu arbeiten, welcher auch schon Lizenzen zur Ölförderung vergibt und auch die alten Verträge weiter aufrecht erhält. Der britische Konzern Heritage Oil kaufte Anfang Oktober mit 51% die Aktienmehrheit von Sahara Oil Services. Die imperialistischen Staaten kämpfen also nicht für die Freiheit des libyschen Volkes sondern für ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen, und deswegen sind sie eine Bedrohung für die Revolution. Keitel, der Präsident des „Bundesverband der deutschen Industrie“ bringt das Ganze auf den Punkt: „Die Freiheit, welche Millionen Menschen momentan gewinnen bietet auch ökonomische Möglichkeiten – auch für deutsche Unternehmen.“ Der Imperialismus versucht die Revolution zu kontrollieren, und er wird sich gegen sie wenden sobald sie seinen Ausbeutungsinteressen widerspricht.
Aber wenn die NATO und der Nationale Übergangsrat nicht die FreundInnen und UnterstützerInnen der ArbeiterInnenklasse, Bauern und Bäuerinnen, und der Jugendlichen sind, wer sind es dann? War es etwa Gaddafi? Einige linke Kräfte behaupten das, besonders der venezolanische Präsident Hugo Chavez sah ihn als antiimperialistischen Helden, welchen man gegen die NATO und gegen die Revolution verteidigen müsse. Auch viele StalinistInnen wie zum Beispiel die Kommunistische Partei von Malta stellte sich bis zum Ende auf die Seite des alten Regimes. Aber das ist genauso falsch, wie zu glauben, die imperialistischen Staaten währen die fortschrittlichen Kräfte. Gaddafi war ein Freund der westlichen Mächte, schon als er an die Macht kam ließ er US Unternehmen ihre Profite aus dem libyschen Öl ziehen. Zur selben Zeit unterdrückte er Opposition und das Volk, und ging gegen Streiks, Demonstrationen, und Aufstände mit Waffengewalt vor. Sieht so ein fortschrittlicher Kämpfer aus?
Perspektiven
Die libysche Revolution ist keine Revolution der ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen – es ist eine demokratische Revolution, in welcher die Besitzenden und Reichen, welche auf bessere Profitmöglichkeiten hoffen, auch beteiligt sind. Das bedeutet auch, dass die Kräfte die den Nationalen Übergangsrat kontrollieren, kein Interesse daran haben Gleichheit und Gerechtigkeit zu schaffen, sondern kapitalistische und imperialistische Ausbeutung aufrecht zu erhalten. So lange die Massen dieser bürgerlichen Führung folgen, können sie sich nur kleine demokratische oder soziale Zugeständnisse erwarten.
Deswegen ist es jetzt wichtig, dass die Revolution weitergeht. Der bisherige Aufstand war ein demokratischer, in welchem ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, und KapitalistInnen zusammen kämpfen – doch die KapitalistInnen und NATO ImperialistInnen dürfen nicht an der Macht bleiben. Das Regime welches sie bauen, ist immer noch das Regime des Kapitals, nur mit einer anderen Fassade. Derzeit versucht der Nationale Übergangsrat eine neue libysche Armee aufzubauen, und die Milizen der Rebellen zu entwaffnen. Die ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, und die Jugendlichen müssen weiter kämpfen und die demokratische Revolution in eine sozialistische verwandeln, so wie es Leo Trotzki in der Theorie der permanenten Revolution beschreibt. Demokratische Rechte sind wichtig in diesem Kampf, alle demokratischen Errungenschaften müssen verteidigt werden und für weitere gekämpft werden, wie für Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, oder Religionsfreiheit. Doch die demokratischen Aufgaben können nur in der sozialistischen Revolution erfüllt werden. Die libysche Revolution muss folgende Maßnahmen ergreifen:
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Keine Unterstützung für den bürgerlichen Nationalen Übergangsrat. Die Bevölkerung muss sich in demokratischen Räten an der Basis organisieren, gestützt auf Stadtteile, Dörfer, etc.
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Eine verfassungsgebende Versammlung muss organisiert werden, zusammengesetzt aus Delegierten aus den Räten der Bevölkerung
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Die Waffen behalten! Es braucht unabhängige Komitees zur Selbstverteidigung, kontrolliert durch die ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, Jugendlichen, und den Armen.
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Nein zu imperialistischer Ausbeutung! Verstaatlichung der Ölindustrie, der Banken, und den wichtigsten wirtschaftlichen Sektoren unter Kontrolle der Beschäftigten
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Nein zu imperialistischen Interventionen, auch wenn behauptet wird sie wären humanitär oder zur Aufrechterhaltung des Friedens
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Gleiche Rechte für alle! Volle demokratische Rechte für alle Minderheiten und MigrantInnen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
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Für unabhängige Gewerkschaften und Einbeziehung der MigrantInnen
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Für Rätedemokratie und Sozialismus! Für eine sozialistische Föderation in Nord Afrika und dem mittleren Osten
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Aufbau einer revolutionären Partei und einer revolutionären Jugendorganisation, welche mit den ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, Jugendlichen und Unterdrückten den Sieg erkämpfen können
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