Massenproteste in Rumänien

Dienstag, den 24. Januar 2012 um 19:47 Uhr
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Seit Mitte Jänner wird Rumänien von weit reichenden Protesten erfasst. Der Auslöser dafür war die geplante Privatisierung des Gesundheitsbereiches durch die sogenannte liberaldemokratische Minderheitsregierung von Premierminister Emil Boc (PDL). Mittlerweile richtet sich die Bewegung jedoch nicht nur gegen die Gesundheitsreform, sondern gegen den Präsidenten und die Regierung selbst, sowie gegen deren harte Sparpolitik.

Ende Dezember wurde das neue Gesetz, an welchem seit 2005 gearbeitet wurde, vorgelegt. Präsident Traian Basescu beabsichtigt dadurch laut eigener Aussage „den Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern“ zu beleben. Besonders empörend für die Bevölkerung sind die Auswirkungen auf den Rettungsdienst SMURD, welcher in Rumänien große Anerkennung genießt. Dieser Rettungsdienst wurde 1990 von dem rumänischen Arzt Raed Arafat gegründet, als das staatliche Rettungswesen nach dem Umsturz 1989 in katastrophalem Zustand lag. Mittlerweile ist SMURD in den staatlichen Notfallservice eingegliedert und kann 14 000 Menschen zum Notfalldienst mobilisieren. Als Raed Arafat vor einigen Tagen als Unterstaatssekretär im Gesundheitsbereich meinte, das zerstöre das Gesundheitssystem und er werde diesem nicht zustimmen, wurde gedroht ihn abzusetzen, worauf dieser aus Protest seinen Rücktritt bekannt gab. Solidaritätskundgebungen wurden für den angesehenen Arzt veranstaltet, die sich schnell zu Protesten gegen die Gesundheitsreform ausweiteten. Diese Proteste wurden von Zusammenstößen mit der Polizei begleitet, welche Kundgebungen angriff, Gummigeschoße und Tränengas gegen DemonstrantInnen einsetzte und die Bewegung einer willkürlichen Repression unterzog. Gleichzeitig versuchen Medien und die Regierung die Proteste in den Dreck zu ziehen indem sie die Ausschreitungen gewalttätigen Hooligans in die Schuhe schieben. Der Höhepunkt dieser Verleumdungskampagne ist die kürzliche Äußerung von Außenminister Teodor Baconschi zu nennen, welcher die DemonstrantInnen als „plumpen, gewalttätigen Pöbel“ bezeichnete. Das war auch der Regierung zu heftig, die ja in solchen harten Zeiten um ihr Image bangen muss, und Baconschi wurde daraufhin abgesetzt.

Mittlerweile musste die Regierung den ersten Rückzug antreten und das Gesetz in Überarbeitung schicken. Auch Raed Arafat sitzt wieder auf seinem Posten und soll in Diskussionen zur Überarbeitung des Gesetzes einbezogen werden. Das bedeutet jedoch nur eine kurzfristige Abwehr des Angriffs, und muss als Verzögerungstaktik und Ruhigstellung der Bewegung gesehen werden, um zu einem späteren Zeitpunkt in leicht abgeänderter Form, erneut zum Schlag gegen die ArbeiterInnen, Jugendlichen und Verarmten auszuholen.

Bis jetzt ließ sich die Bewegung von dieser Maßnahme wenig beeindruckend, welche ihren Protest ja nun generell gegen die Regierung und die harten Sparmaßnahmen richtet. Sie wuchs sogar an, holte Gewerkschaften mit ins Boot und weitete sich bis jetzt auf über 62 Ortschaften aus. Zusätzlich sind nun auch hunderte ehemalige MilitärbeamtInnen und ReservistInnen auf die Straße gegangen um den Rücktritt des Präsidenten und des Premiers, Neuwahlen, und die „Wiederherstellung der Nationalwürde“ zu fordern. Das macht es jedoch notwendig sich klar von diesen Forderungen zu distanzieren und solche Proteste von den eigenen abzugrenzen, denn es ist nicht im Interesse der Unterdrückten Einsparungen im Militär rückgängig zu machen. Je stärker der staatliche Repressionsapparat ist, desto schwieriger wird es sein durch den Druck auf der Straße etwas zu verändern.

Der Unmut sowie die Politikverdrossenheit nahmen in Rumänien in den letzten Jahren durch die Korruption und die stark steigende Armut enorm zu. Schon 2010 kam es zu Protesten gegen die aufgedrückten Sparmaßnahmen durch den Internationalen Währungsfonds (IWF).

Die jetzige Bewegung muss die Proteste klar ausweiten und den jetzigen Gefahren trotzen. Nicht nur der rechte Einfluss ehemaliger Militär droht der Bewegung sondern auch die Opposition aus PNL (national-liberal) und PSD (sozialdemokratisch) versucht die Proteste für sich zu vereinnahmen. Diese Kräfte befürworten die Gesundheitsreform und wollen nur Einfluss gewinnen, indem sie den Protest gegen die jetzige Regierung unterstützen. Derzeit wird sogar über Neuwahlen verhandelt, was das vorzeitige Ende der Bewegung bedeuten könnte. Die Menschen dürfen nicht der Illusion verfallen, eine Regierung mit PSD oder PNL wäre eine bessere, oder würde gar eine Politik im Interesse der ArbeiterInnen, Jugendlichen, Arbeitslosen und Verarmten betreiben. Stattdessen muss der Kampf gegen die Sparpolitik aufgenommen werden und der Widerstand für den nächsten Angriff vorbereitet werden. Das bedeutet eine stärkere Miteinbeziehung der Gewerkschaften und Gründung von Aktionskomitees im Gesundheitsbereich um Proteste zu organisieren, wenn es sein muss auch ohne Gewerkschaften. Darüber hinaus braucht es jedoch auch eine allgemeine Kampagne gegen die Krise und eine Ausweitung auf andere Schichten der Lohnabhängigen und Jugendlichen. Die Krise, die Sparmaßnahmen die Verteilungsungerechtigkeit, Unterdückung usw. sind jedoch nicht zufällige Erscheinungen sonder liegen alle in der Profitlogik und Struktur des kapitalistischen Systems. Daher muss der Kampf gegen die Auswirkungen der Krise auch ein Kampf gegen die Ursache werden.

Um uns wehren zu können und Proteste und Widerstand selber organisieren und vorrantreiben zu können ist es notwendig, dass wir uns eigenständig zusammenschließen. Wir dürfen nicht auf die Führung der Gewerkschaften oder auf etablierte Parteien hoffen sondern müssen uns demokratisch, revolutionär und kollektiv an der Basis organisieren. Daher rufen wir für die Gründung einer antikapitalistischen und revolutionären Jugendorganisation, sowie einer revolutionäre Partei auf, welche einen Kampf für die Überwindung des Kapitalismus in Rumänien anleiten und organisieren kann!

Hoch die internationale Solidarität!



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Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 24. Januar 2012 um 19:51 Uhr