SOPA, PIPA und Wikipedia-Sperrung: Das Imperium schlägt zurück

Donnerstag, den 26. Januar 2012 um 21:02 Uhr
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In den vergangenen Wochen kam es zu weiteren Vorstößen verschiedener Regierungen, allen voran der amerikanischen, gegen Filesharing. Viele, vor allem junge Internetuser_innen protestierten auf ihre Art gegen die Anträge im amerikanischen Kongress, SOPA und PIPA, die die kreative Weiterverwendung von kommerziell genutztem Material weiter kriminalisiert. Die Aktion, die dabei am meisten Aufsehen erregte war die Sperrung des englischsprachigen Wikipedia, das einen Tag zensiert wurde, um Aufmerksamkeit für die Gesetzesvorhaben zu bekommen. Es gab aber auch verschiedene andere Protestaktionen die bis zur Abschaltung der amerikanischen Justizministeriums-Website durch Anonymous gingen. Doch was bekämpften wir da eigentlich?

 

Die Gesetzesvorhaben, die hier für Aufregung sorgen sind in erster Linie der Antrag „Stop Online Piracy Act“ („SOPA“) im amerikanischen Repräsentantenhaus, aber auch „Vorgängerversionen“ wie der „PRO-IP Act“ und der „PROTECT IP Act“ („PIPA“). Im Großen und Ganzen handelt es sich hierbei um immer schärfere Einschränkungen im Internet, um das illegale Kopieren, Verkaufen oder Weiterverwenden von urheber_innenrechtlich geschütztem Material zu unterbinden. Das ist eigentlich nichts Neues: Gerade in Amerika wurde der Schutz dieses Datenmaterials schon lange ernster genommen als demokratische Grundfreiheiten, die durch Zensur eingeschränkt wurden.

SOPA ist aber auf vielen Ebenen eine neue Qualität dieser Politik – Privatfirmen wie Internetprovidern wird das Recht zugesprochen, Websites zu blockieren, wenn der Verdacht auf Urheber_innenrechtsverletzungen besteht. Außerdem hat das amerikanische Justizministerium das Recht, Websites wegen angeblichen Urheber_innenrechtsverletzungen alle möglichen Einschränkungen aufzuerlegen: Vom Verbot für andere Seiten und Firmen, mit ihnen zusammenzuarbeiten bis zur vollständigen Sperrung. Kurz und gut, es werden grundsätzliche Rechte wie die Presse- und Informationsfreiheit in die Hände von profitorientierten Firmen und der repressiven Justizbehörde gelegt – die die meisten Maßnahmen außerdem ohne richterlichen Beschluss durchführen darf. Auch lästige Seiten, auf denen halbwegs frei Informationen verbreitet werden können (wie Wikipedia, Memeboards oder sogar Youtube) könnten gesperrt werden, wenn die Inhalte von Drittnutzer_innen dem amerikanischen Staat oder dem jeweiligen Internetprovider nicht passen.

Die treibenden Kräfte hinter den Gesetzesvorhaben SOPA und PIPA sind große Firmen wie AT&T, die Plattenfirma „Recording Industry Association of America“ und viele Abgeordnete der Republikaner_innen und der Demokrat_innen, die mit diesen Firmen zusammenarbeiten. Auch wenn sie immer wieder betonen, dass es darum ginge, die Rechte und Einkünfte von Künstler_innen zu schützen ist klar, in wessen Interesse diese Verordnungen sind. Große Musikfirmen und Manager_innenverbände sichern so ihre Profite, kleinen und unabhängigen Künstler_innen helfen diese Verordnungen weniger als sie schaden. All das ist ein Prozess, der die kapitalistische Kulturindustrie am Laufen hält, und damit Kulturwaren, also Kultur die sich über ihren Tauschwert definiert gegenüber unabhängiger und subversiver Kultur stärken soll. Es geht hier also nicht um die Freiheit der Kunst, sondern die Freiheit des Kapitals, Kunst möglich gewinnbringend zu verkaufen. Auch auf Kosten der Informationsfreiheit.

Ohne die kreative Weiterverwendung von urheber_innenrechtsgeschütztem Material wären wichtige Teile auch der Mainstream-Popkultur, wie Andy Warhols Popart oder der Hip-Hop der 80er-Jahre (der vor allem durch „Sampling“ möglich war) nicht denkbar. Noch schlimmer wird die Situation aber für kleine, kritische und subversive Künstler_innen, die sich durch die Kulturpolitik im Kapitalismus ohnehin am Rande des Existenzminimums bewegen. Das gesamte System des Urheber_innenrechts im Kapitalismus dient nur den Interessen der Herrschenden, es beschränkt Informationsfluss, kulturelle Entwicklung und kritische Kunst. An die Stelle des Urheber_innenrechts, das vor allem einzelne „Superstars“ auf Kosten der breiten Masse der kleinen Künstler_innen und die verschiedenen Verteilerfirmen schützt muss ein neues Modell der Kulturpolitik treten. Es muss möglich sein, Künstler_innen ein würdiges Leben zu ermöglichen, ohne ihre Kunstwerke einem Marktwert zu unterwerfen, gleichzeitig aber sicher zu stellen, dass diese Kunst einer möglichst breiten Masse der Bevölkerung zugänglich gemacht wird – durch kostenlose Ausstellungen, Performances im öffentlichen Raum und eben freier Verbreitung.

Wir sehen die Gesetzesvorhaben in Amerika ebenso wie die Zusammenarbeit europäischer Staaten mit diesen Standards (über den Vertrag ACTA) als neuen Schritt gegen eine breite Schichte der Bevölkerung – die meistens jung ist, meistens nicht zu reich ist und über das Internet durchaus auch kritischen Gedanken Raum gibt. Die Einschränkung bürgerlich-demokratischer Freiheiten ist damit also auch ein Schlag gegen jede fortschrittliche Bewegung – die gestoppt werden muss.



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Zuletzt aktualisiert am Donnerstag, den 26. Januar 2012 um 21:04 Uhr