Vorabveröffentlichung aus der Septemberausgabe der REVOLUTION-Zeitung
Wer sich in den letzten Wochen ein bisschen aufmerksam die Nachrichten verfolgt hat, wird wohl auch schon einem der größten Sorgenkinder der EU gehört haben. Spanien mit einem 5-mal höheren Bruttoinlandsprodukts (BIP) als Griechenland beantragte nun auch Eu-Finanzhilfe für seine maroden Banken und schließt nunmehr auch nicht aus selbst EU-Gelder zu beziehen. Außerdem wird Spanien jetzt auch von massiven Einsparungen betroffen, die von der spanischen Regierung ohne Rücksicht auf die Bevölkerung durchgezogen werden. Gegen diese Einsparungen gibt es aber auch Widerstand, den wir natürlich auch beleuchten wollen.
Spaniens Wirtschaft
Neben schlimmen Waldbränden hat Spanien zurzeit noch mit viel verheerenderen Problemen zu kämpfen. Die spanische Staatverschuldung liegt bei über 700 Milliarden Euro - diese abstrakte Zahl an einem Beispiel dargestellt – das entspricht ungefähr dem zehnfachen Jahresbudget des österreichischen Staates. Doch kurioserweise ist das im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gar nicht wirklich hoch. Spanien liegt mit seiner Staatsverschuldung in der EU nur am 13. Rang – unter der durchschnittlichen Quote und sogar unterhalb der österreichischen Staatsverschuldung, die bei 72,2% liegt. Das große Problem Spaniens ist, dass die Staatsverschuldung in den letzten drei Jahren, also seit der Wirtschaftskrise 2007/2008 und den Krisenjahr 2009 explodiert ist. Nämlich um durchschnittlich um fast 10% jährlich, im anschwellen der Staatsverschuldung wurde Spanien nur von Irland, Griechenland und Großbritannien übertroffen. Dadurch haben sich die auch die Staatsanleihen verteuert (im Juli lagen die Zinsen auf 10-jährige Staatsanleihen noch bei über 7%) deshalb musste die Zentralbank dem entgegensteuern und kaufte Staatsanleihen auf, mittlerweile nähert sich der Zinssatz aber wieder der 7%-Marke.
In Spanien ist zurzeit eine konservative Regierung an der Macht, die Regierung wird von Ministerpräsident Mariano Rajoy von der Partido Popular (Volkspartei) geführt. Die Regierung hat sich vom Tag ihrer Angelobung an dem Sparen verschrieben. Doch schon unter der vorhergegangenen „sozialistischen“ Regierung unter Zapatero war massiv bei Beamtengehältern, Pensionen und Sozialleistungen gespart worden, doch das reichte anscheinend noch nicht um Spanien aus der Misere zu ziehen. Jetzt steht Spanien vor dem massivsten Sparpaket der letzten Jahrzehnte – die Regierung Rajoy plant bis 2014 über 100 Milliarden Euro einzusparen.
Widerstand
Während die spanische Regierung an Sozialleistungen spart, die Mehrwertsteuer erhöht und dafür Banken Milliarden zuschießt, sieht die Lebensrealität für die spanische Arbeiter_innenklasse und Jugend sehr schlecht aus. Die Arbeitslosenquote liegt bei 25% und das obwohl momentan Tourismus Hochsaison ist. Von den Jugendlichen hat überhaupt nur jeder zweite einen Job und viele müssen deswegen, trotz guter Ausbildung, lange Jahre zuhause wohnen, weil sie das Geld für eine eigene Wohnung nicht aufbringen können. 400.000 Familien haben seit Beginn der Wirtschaftskrise ihre Wohnungen verloren und die Selbstmordrate befindet sich, wie in Griechenland, im steigen.
Als Teil des Sparpakets wurden auch die Subventionen für den Bergbau-Sektor gekürzt, was für die Arbeiter_innen in diesem Bereich zu massiven Jobverlusten führen würden. Daraufhin ergriffen die Bergarbeiter_innen – auf Spanisch Mineros – Streikmaßnahmen und befinden sich nun seit 1. Juni im Streik. Die 8.000 streikenden Mineros zeichnen sich vor allem durch einen militanten Abwehrkampf gegen die Polizei aus, die des öfteren versuchte die Streikposten der Bergarbeiter_innen anzugreifen. Die Mineros verteidigten sich daraufhin mit modifizierten Feuerwerkskörper, selbstgeschweißten Schilden und Steinschleudern. Immer wieder führten sie Blockadeaktionen von wichtigen Verkehrsadern durch um Druck auf die Regierung aufzubauen. Da die Bergarbeiter_innen in den Bergbaudörfern in Asturien und León im Norden Spaniens sehr isoliert sind, machten sie sich auf den 500 km langen Weg und kamen am 11. Juli in Madrid an. Dort wurden sie von mehreren zehntausend Unterstützer_innen begrüßt.
Seitdem kommt es immer wieder zu Protesten in ganz Spanien gegen den rigorosen Sparkurs der Regierung. Am 19. Juli zum Beispiel gingen in ganz Spanien hunderttausende auf die Straße, allein in Madrid waren es 500.000 Menschen die ihren Unmut gegen die Regierung ausdrückte. Der Protesttag wurde von den spanischen Gewerkschaften und der Bewegung des 15. März (den mittlerweile berühmt gewordenen jugendlichen Platzbesetzer_innen) organisiert. Momentan befinden dich die Mineros immer noch im Streik und haben auch schon kreative Methoden gefunden um sich und ihre Familien weiter mit Essen zu versorgen; sie gingen einfach in die Supermärkte und holten sich das was sie brauchten. Obwohl diese Aktionen von staatlicher Seite massiv kritisiert werden, steht mehr als die Hälfte aller Spanier_innen hinter den „proletarischen Einkaufen“. Momentan ist die Bewegung aber etwas abgeflaut, da viele Spanier_innen während den heißen Monaten am Land Urlaub machen, doch spätestens im Herbst wird die Bewegung hoffentlich wieder anwachsen um denKampf gegen die Sparmaßnahmen aufzunehmen.
Was tun um zu gewinnen?
Obwohl die Proteste teilweise sehr militant und kämpferisch sind, wie vor allem die Proteste der Mineros, hat es die Bewegung noch nicht geschafft ihrer Kapitalist_innenklasse und der Europäischen Union einen entscheidenden Schlag zu versetzen. Eines der größten Probleme ist, dass die Proteste sich noch nicht (vollständig) zu einer gemeinsamen, starken Bewegung gegen die Regierung formiert haben. Zwar war der Aktionstag am 19. Juli ein erster Schritt in diese Richtung, doch der Weg muss noch weiter geführt werden.
Das zentrale Problem ist aber, dass es in Spanien momentan keine revolutionäre Kraft – weder eine revolutionäre Partei noch eine revolutionäre Jugendorganisation hat – die die Jugend und die Arbeiter_innenklasse im Kampf führen und anleiten kann. Es gibt keine Kraft, die die richtigen Taktiken für den Kampf – jetzt vor allem die Organisierung eines unbefristeten Generalstreiks zu Sturz der Regierung Rajoy – vorschlagen würde.
Aber auch wir in Österreich, einem Land das EU-weit gut dasteht und eindeutig zu den Ländern (wie vor allem Deutschland) gehört, die Sparmaßnahmen diktieren, müssen unsere Solidarität in der Praxis zeigen und Aktionen zur Unterstützung der spanischen Arbeiter_innenklasse und Jugend durchführen. Denn der Hauptfeind steht im eigenen Land!
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