Aus dem Archiv der Liga der Sozialistischen Revolution
Von Michael Pröbsting
Knüppel aus dem Sack, nach diesem Motto handelte die Wiener Polizei am 29. Jänner als hunderte antifaschistische DemonstrantInnen gegen den Ball des rechtsextremen Wiener Korporationsring (WKR) in der Hofburg protestieren wollten.
Einmal mehr zeigte die Staatsmacht an diesem Tag, auf wessen Seite sie steht. Während beim alljährlichen WKR-Ball rechtsextreme Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland zusammenkamen, verbot die Polizei die angemeldete antifaschistische Demonstration. Sogar eine von 5 grünen Parlamentsabgeordneten angemeldete Demonstration wurde untersagt!
Die 500-700 AntifaschistInnen hatten sich ungeachtet dessen am Europaplatz/Westbahnhof versammelt. Gemeinsam mit anderen Organisationen hatte auch die Liga der Sozialistischen Revolution (LSR) und die Jugendorganisation REVOLUTION zu dieser antifaschistischen Demonstration aufgerufen. Johannes Wiener, Sprecher von REVOLUTION, legte in einem Interview in der ORF-Sendung Wien heute vom 29.1. unsere Beweggründe dar: „Wir möchten aufzeigen, daß Rechtsextremismus, Frauenfeindlichkeit und Rassismus keinen Platz haben dürfen in Österreich. Dagegen wollen wir demonstrieren, doch das wurde uns von der Polizei verboten!“ (1)
Wir wurden von hunderten Robocop-artigen Polizisten nicht nur am Demonstrieren gehindert, sondern auch bald eingekesselt. Immer wieder prügelte die Polizei in die Reihen der DemonstrantInnen und hinderte Menschen am Verlassen des Ortes. Erst nach stundenlanger Einkesselung durften die DemonstrantInnen den Ort einzeln verlassen, allerdings nur gegen Vorweisen eines Ausweises, der dann von Polizisten aufgeschrieben wurde. Es droht nun auch eine Flut von Anzeigen gegen die AntifaschistInnen. Darüberhinaus soll es 14 Festnahmen gegeben haben. (2)
Bei wem bedanken sich die Rechten?
Die Rechtsextremen werden über das brutale Vorgehen der Staatsgewalt jubeln. Dankeschön, sagen Strache und seine rechtsextremen Freunde, denn sie konnten nun dank der staatlichen Knüppelgarden ungestört feiern.
Dankeschön, sagen sie sicherlich nicht, denken sie sich aber in Richtung der SPÖ/ÖVP-Koalitionsregierung und der Wiener SPÖ. Denn die Bundesregierung und die Wiener Stadtregierung sind die politisch Verantwortlichen für diese Unterdrückung des demokratischen Rechtes auf Versammlungsfreiheit.
Dies zeigt, daß sich die SPÖ-Bürokratie zwar eine antifaschistische und gegen die FPÖ gerichtete Rhetorik betreibt. Aber in ihren Taten verhält sie sich gegenüber rechts anpaßlerisch und duckmäuserisch, aber gegenüber links tritt und schlägt sie (bzw. läßt treten und schlagen).
Wo war die Linke?
Bedauerlich war die magere Beteiligung der organisierten Linken an der Demonstration. Außer dem Block von LSR&REVOLUTION war nur die SLP mit einem organisierten Kontingent vertreten. Auch einige KPÖ-Fahnen waren eine Zeit lang zu sehen, doch ansonsten traten die sozialdemokratisierten Ex-Stalinisten nicht in Erscheinung. Stark vertreten war hingegen der Schwarze Block. Der Großteil der DemonstrantInnen bestand aus unorganisierten AntifaschistInnen.
Aus all diesen Gründen gab es keine Demonstrationsleitung und als die Polizei sich anschickte, uns einzukesseln, war es faktisch nicht möglich, einen Widerstand gegen die Einkesselung zu organisieren.
Aufgrund der schlechten Vorbereitung und des noch schlechteren Kräfteverhältnisses auf der Demonstration fanden wir einige Aktionen der AktivistInnen des Schwarzen Blocks gegen die Polizei falsch und taktisch unklug. Aber das Schwergewicht der Kritik kann sicherlich nicht diesen AktivistInnen gelten, denn es war das repressive Vorgehen der Polizei, das auf permanente Provokation ausgelegt war. Der Kessel, das Auffahren von Wasserwerfern und die brutalen Angriffe auf AktivistInnen erzeugten eine Situation, in der Panik vorprogrammiert war.
Ein Skandal ist vielmehr, wer NICHT anwesend war. Obwohl die SJ, die Gewerkschaftsjugend, der Funke u.a. in Aussendungen und auf ihrer Homepage zu der Demonstration aufriefen, waren sie auf der Demonstration selber nicht zu sehen. Wir können natürlich nicht ausschließen, daß der eine oder die andere AktivistIn an der Demonstration teilnahmen. Aber als Organisation, als Block, traten diese Gruppen nicht auf.
Ein solches Verhalten dieser linken Organisationen ist äußerst schädlich und muß sich ändern. Wenn diese Gruppen von einer Teilnahme absehen, falls die Polizei eine Demonstration nicht erlaubt, dann hat der bürgerliche Staat in Zukunft leichtes Spiel. Wir denken, daß innerhalb der sozialdemokratischen Organisationen nach dem skandalösen Vorgehen der Polizei unbedingt eine Diskussion über ein aktiveres Vorgehen in der antifaschistischen Arbeit geführt werden sollte. Dabei kann man auch aus Fehlern in der Geschichte lernen. Ohne dabei die Ereignisse im Februar 1934 mit heute vergleichen zu wollen, hat ein permanentes Nachgeben der sozialdemokratischen Führung damals zur Machtergreifung des Austrofaschismus geführt.
Bewertung des Vorgehens der Polizei…
Solche Lehren zu ziehen ist umso wichtiger, denn solche Ereignisse wie am 29.1. können sich in Zukunft vielleicht öfters wiederholen. Denn das Vorgehen der Polizei muß als unmißverständliche Machtdemonstration und Einschüchterungstaktik bewertet werden. Zuerst ist es bemerkenswert, daß die Behörden sogar die von den grünen Parlamentsabgeordneten angemeldete Demonstration untersagten. Aber die Polizei wollte mehr: mit dem Kessel bereits am Auftaktort der Demonstration, den Festnahmen, der Aufnahme der Daten von hunderten AntifaschistInnen usw. ging die Polizei so scharf vor wie selten zuvor bei einer größeren Demonstration in den letzten Jahren.
Insgesamt stellt sich die Frage, ob wir es hier mit einer Wende zu tun haben. Bahnt sich hier möglicherweise eine Umstellung der Polizeitaktik an: einem Ende der sogenannten Deeskalationspolitik der Wiener Polizei hin zu „deutschen Verhältnissen“ mit entsprechender staatlicher Repression gegen fortschrittlichen Widerstand?
Für eine solche Wende in der staatlichen Repressionspolitik spricht auch die Tatsache, daß sicherlich auch im Wissenschaftsministerium angesichts der zu erwartenden Proteste gegen den Bologna-Gipfel in Wien am 11./12. März mit massiven Demonstrationen und Blockadeaktionen gerechnet wird. Die Erwartungshaltung der MinisteriumsbürokratInnen läßt ein zu allem bereites Vorgehen des Staatsapparates vermuten.
… und Konsequenzen für die AntifaschistInnen und die ArbeiterInnenbewegung
Die Tatsache, daß die Polizei einmal mehr die Rechtsextremen gegen die AntifaschistInnen schützt, zeigt erneut, wie utopisch und verwirrend die Appelle vieler Linker an Staat und Polizei sind, Nazis zu verbieten. (3)
Denn der Polizeikessel unterstrich neuerlich, daß der bürgerliche Staatsapparat – und hier insbesondere die Polizei – keine neutrale Institution ist. Vielmehr ist die Polizei – neben dem Bundesheer und den Geheimdiensten – der bewaffnete Arm der herrschenden Klasse. Unsere Schlußfolgerung, die wir letztes Jahr angesichts des Polizeischutzes für den rassistische Aufmarsch gegen den Bau einer Moschee in Wien- Brigittenau zogen, ist nach wie vor gültig: „Deswegen sind auch die Hoffnungen auf und Appelle an den bürgerlichen Staat und seine Polizei seitens der SJ, KPÖ und anderer reformistischer Organisationen vollkommen unangebracht. Die linken Sozialdemokraten wollen den Kampf gegen den Faschismus mit Hilfe des bürgerlichen Staates führen und fordern daher diesen immer wieder zum Handeln gegen die Nazis auf. Daher die Appelle an die Polizei, Naziaufmärsche zu untersagen, das Verbotsgesetz zu exekutieren usw. Doch der bürgerliche Staatsapparat – auch wenn er wie in Wien seit Jahrzehnten von der SPÖ kontrolliert wird – dient immer dem Kapital und hat daher niemals ein Interesse, Rassismus und Faschismus ernsthaft zu bekämpfen.“ (4)
Deswegen lehnt die LSR die sozialdemokratische Orientierung auf den Staatsapparat ab. Wir appellieren nicht an die Polizei, die Faschisten zu verjagen, sondern wir fordern die ArbeiterInnenbewegung und alle antifaschistischen Organisationen auf, dies selbst in die Hände zu nehmen. (5)
Doch noch eine weitere Schlußfolgerung muß gezogen werden. In Zukunft wird es besonders wichtig sein, daß es eine breite Einheitsfront der Organisationen der ArbeiterInnenbewegung und der Linken gibt (die nicht nur Organisationen der radikalen Linken umfaßt, sondern auch sozialdemokratische und andere fortschrittliche Kräfte), um der nun schärfer durchgreifenden Staatsmacht bei Demonstrationen etwas entgegensetzen zu können. Eine solche Einheitsfront sollte sich im Fall neuerlicher Polizeiwillkür den organisierten Widerstand gegen Polizeibrutalitäten und die Durchsetzung des demokratischen Demonstrationsrechtes zum Ziel setzen.
Ein erster Schritt könnte eine breite Solidaritätskampagne dieser Organisationen gegen die nun zu erwartende Welle an Prozessen und Verwaltungstrafen gegen die antifaschistischen DemonstrantInnen des 29. Jänner sein.
Anmerkungen:
(2) Jene, die bei der Demonstration nicht dabei waren, können in einem Artikel in der Tageszeitung DER STANDARD sowie im Kommentarteil zahlreiche Augenzeugenberichte nachlesen: „Wiener Korporations-Ball. Hundert Anzeigen bei Gegenveranstaltung“, 29.1.2010, http://derstandard.at/1263706231371/Wiener-Korporations-Ball-Hundert-Anzeigen-bei-Gegenveranstaltung
(3) siehe dazu u.a. Patrick Mokre: Nazis bekämpfen durch Verbotsgesetz?; in: BEFREIUNG Nr. 180, Oktober 2009, www.sozialistische-revolution.org/phpwcms/index.php?id=31,695,0,0,1,0
(4) Michael Pröbsting und Roman Birke: Protest gegen den rassistischen Marsch zum Wiener Rathaus. Bilanz der antirassistischen Demonstration am 14. Mai in Wien; www.sozialistische-revolution.org/phpwcms/index.php?id=31,625,0,0,1,0
(5) Zur Analyse des Faschismus und der revolutionären Taktik siehe u.a. die LSR-Broschüre von Michael Pröbsting: „Faschismus. Was ist er und wie bekämpfen wir ihn?“ Zu bestellen über unsere Kontaktadresse oder als Download unter http://www.sozialistische-revolution.org/stor/broschueren/faschismus.pdf
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