REVOLUTION

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Start Archiv Rassismus/Faschismus/Sexismus Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten

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Im Folgenden veröffentlichen wir eine Stellungnahme des ArbeiterInnenstandpunktes (ASt, ehemalige LSR). REVOLUTION und der ASt sind im Bündnis zur Vorbereitung der Proteste gegen den rechtsextremen WKR-Ball aktiv. Die Grünen & Alternativen Studierenden wendeten sich in einem offenen Brief an das Bündnis um "aus antifaschistischen Gründen" nicht mehr Teil des Bündnisses zu sein. Als Grund dafür wird angegeben, dass durch den ASt, REVOLUTION, und der Linkswende antisemitische Positionen vertreten wären.

Wir waren empört einen offenen Brief zu erhalten, der sich an das Bündnis zur Organisierung von Protesten gegen den WKR Ball 2012 richtet und dem ArbeiterInnenstandpunkt, der Linkswende und REVOLUTION vorwirft antisemitische Positionen zu vertreten. Wir verstehen dies nicht nur als politischen Angriff, sondern fühlen uns auch persönlich durch solche Anschuldigungen betroffen. Abgesehen von unserer eigenen Empfindlichkeit sind wir jedoch auch überzeugt davon, dass mit derartigen Untergriffen dem Versuch ein breites Bündnis gegen den WKR-Ball aufzubauen kein Gefallen getan wird.

Breites Bündnis notwendig

Aufgrund der Erfahrungen der letzten Proteste gegen den WKR-Ball ist unserer Meinung nach ein breites Bündnis notwendig, um einen Schritt nach vorne zu machen. Dies halten wir nicht nur für wichtig, um mehr Menschen gegen den Burschenschafter-Ball zu aktivieren, sondern auch um der breiten Repression rund um den Ball besser entgegentreten zu können. Insgesamt sehen wir im Bündnis daher das Potential einer realen Verbreiterung antifaschistischen Protests.

Der Erfolg dieses Bündnisversuches ist jedoch keineswegs gewährleistet. Er ist abhängig davon, ob unterschiedliche antifaschistische Kräfte es schaffen, für ein gemeinsames Ziel zu mobilisieren. Sollte dies gelingen, kann das auch beispielgebend für zukünftige Bündnisse und Mobilisierungen sein. Diese sind auch mehr als nötig. Denn dass der WKR-Ball in der Hofburg abfeiern darf ist empörend und ein Spiegelbild für die weitgehende Integration von Nazis in die österreichische Parteienlandschaft und die postfaschistische kapitalistische Gesellschaftsordnung. Dass aber Antifaschismus nicht bei der Forderung stehen bleiben kann, den WKR-Ball aus der Hofburg zu verbannen, ist für uns ebenso selbstverständlich.

Denn der WKR-Ball als Raum zur Vernetzung zwischen Burschenschaften, Neonazis und FPÖ-MandatarInnen ist nur der kulminierte Ausdruck einer weitgehenden Akzeptanz rassistischer, sexistischer/homophober und antisemitischer Positionen. Dass sich solche Positionen nicht nur in der FPÖ und ihrem (neuen) Parteiprogramm tummeln, zeigen die aktuellen Wahlumfragen, in denen 36 Prozent sich dafür aussprechen, dass Strache mitregieren soll. Ein Bündnis, das möglicherweise erfolgreich in der Organisierung eines breiten Protests sein kann, wäre somit auch eine wichtige Illustration der Möglichkeit von Protest gegen einen anscheinend übermächtigen rechten und nationalistischen Diskurs.

Genau diese längerfristige Perspektive macht es für uns auch notwendig die inhaltliche Ausrichtung des Bündnisses klar und offen zu diskutieren. Die befremdlichen, sich jedoch trotzdem wiederholenden Vorschläge, Kräfte bis hin zu katholischen Verbindungen ans Bord zu holen, zeigen wie viel Arbeit inhaltlicher Natur noch notwendig ist, um nicht nur zu einem Massenspektakel zu werden, sondern auch radikale Kritik anbringen zu können.

Vorwürfe der GRAS Wien

Nur glauben wir nicht, dass die KollegInnen der GRAS Widerstand gegen die anscheinend bestehende rechte Normalität nicht wichtig fänden. Dennoch haben sich die GRAS aus dem Bündnis zurückgezogen, da sie laut ihrer Argumentation nicht mit Organisationen wie dem AST, der Linkswende oder REVOLUTION in einem gemeinsamen Bündnis sein können, da sie diesen Organisationen antisemitische Positionen in Bezug auf die Positionierung zum „Nahostkonflikt“ unterstellen. Auch wenn wir nichts gegen eine offene Diskussion und somit auch nichts gegen offene Briefe haben, so denken wir dennoch, dass die Thematisierung dieser Frage im Bündnis vor der Versendung eines solchen offenen Briefes möglich und sinnvoll gewesen wäre.

Die Antisemitismus-Vorwürfe der GRAS machen eine offene Diskussion über die damit verbundenen Themen jedoch beinahe unmöglich. Dass die GRAS einen solchen Weg gewählt haben, finden wir umso überraschender, nachdem wir klar gemacht haben, nach längeren internen Diskussionen und dem Ausschluss von fünf Mitgliedern (siehe: http://arbeiterinnenstandpunkt.net/wordpress/?p=7) eine eigene Auseinandersetzung mit unseren Positionierungen vornehmen zu wollen. In einem am 14. Juni 2011 – also vor dem Brief der GRAS – veröffentlichtem Artikel weisen wir darauf hin:

„Nach der Spaltung im April 2011 haben wir länger diskutiert, wie wir als Organisation mit einer Situation umgehen wollen, in der viele der GenossInnen Teile der Entwicklung des AST und der LSR nicht mehr persönlich mitbekommen haben. Gemeinsam mit dem Bewusstsein politische Fehler gemacht zu haben, ist es uns ein Anliegen auch an unsere politische Tradition und unsere politischen Stärken anknüpfen zu können. Der einzige Weg dies zu erreichen, führt über eine kritische Aufarbeitung der eigenen politischen Vergangenheit, um eben jene Stärken und Schwächen klar herausarbeiten zu können.“

Da dennoch die Antisemitismus-Keule geschwungen wird, ist für uns noch fraglich, ob es hier wirklich um die Kritik an einzelnen Formulierungen geht, oder ob die Solidarisierung mit dem palästinensischen Widerstand insgesamt verunglimpft werden soll. Wenngleich wir somit nicht von unserer Solidarität mit den PalästinenserInnen im Gaza-Streifen und im Westjordanland gegen die Angriffe des israelischen Staats- und Repressionsapparates abrücken werden, so glauben wir dennoch, dass die Thematisierung des reaktionären Gehalts von islamistischen Kräften einen zu geringen Platz in unseren Publikationen eingenommen hat. Entgegen unserer Schwesterorganisationen und unserer internationalen Organisation – der Liga für die Fünfte Internationale (LFI) – haben wir nur selten Analysen über die drohenden Gefahren z.B. des Sieges der Hamas bei den Wahlen 2007 in unsere Einschätzung des Konflikts integriert. Gerade jedoch aufgrund des aggressiven Antisemitismus und der rückwärtsgewandten Gesellschaftsperspektive der Hamas und ähnlichen Organisationen muss diese Kritik integraler Bestandteil jeder Einschätzung des „Nahostkonflikts“ sein.

Wir halten es für eine zentrale Aufgabe linker Organisierung wachsam und aktiv dagegen vorzugehen, wenn sich AntisemitInnen hinter einer Kritik an Israel verstecken oder auf irgendeine Art und Weise versuchen, die Situation der PalästinenserInnen für ihre reaktionäre Agenda zu vereinnahmen. Dass dies mehr als nur notwendig ist, zeigen nicht nur die offensichtlichsten Formen des Antisemitismus wie der Slogan „Juden raus aus Palästina“ der österreichischen Nazi-Website alpen-donau-info oder das Machwerk des Holocaust-Leugners Nordbruch („Machtfaktor Zionismus“), sondern auch Formen des Antisemitismus innerhalb einer Gaza-Solidaritätsbewegung. So sind z.B. Angriffe auf Synagogen nicht nur nicht zu erklären oder gar zu entschuldigen wenn sie aus einer Gaza-Solidaritätsdemo kommen, sondern müssen darüber hinaus aktiv bekämpft werden.

Klassenfrage relevant

Genauso notwendig ist es, rechte Kräfte bis hin zu Neonazis in ihren Versuchen zu hindern, sich unter dem Titel der „Nationalen Autonomen“ in antiimperialistische Bewegungen einzuschleichen. Während in konkreten Situationen die Notwendigkeit einer aktiven, wenn nötig auch physischen, Verhinderung der Teilnahme solcher Kräfte immanent ist, gilt es sich auch ideologisch gegen solche Vereinnahmungsversuche zu wappnen.

Um sich von dem nebulosen Volksgemeinschaftsdusel von rechter Seite ausreichend abgrenzen zu können, halten wir eine Klassenanalyse deshalb für zentral, um nationalistischer Gleichmacherei entgegentreten zu können. Dies ist nicht nur wichtig, um plumpen Kampagnen österreichischer Medien gegen die „Pleite-Griechen“ den Boden unter den Füßen wegzuziehen, sondern auch, um eine substantielle Kritik am Staat Israel üben zu können, der, wie auch andere Staaten, Klassenunterschiede reproduziert und zur Absicherung der Herrschaft seinen Repressionsapparat gegen die PalästinenserInnen genauso wie gegen die israelische ArbeiterInnenklasse und die Friedensbewegung in Stellung bringt.

Darüber hinaus kann keine ausreichende Erklärung für den Faschismus oder die Shoah gefunden werden, wenn die bürgerliche Gesellschaft nicht in den Mittelpunkt der Kritik gerückt wird. Antifaschismus muss deshalb auch zahnlos werden, wenn er nicht auch den Kapitalismus angreift. Denn für antifaschistische Strategien reicht es nicht aus im Rahmen moralischer Empörung eine „Feuermauer“ (Heinz Fischer) gegen den Faschismus zu errichten, vielmehr muss eine Benennung der gesellschaftlichen Funktion des Faschismus als Instrument gegen progressive Bewegungen und eine Kritik an den im (industriellen) Kapitalismus angelegten genozidären Gefahren in den Vordergrund gestellt werden.

Wir halten diese grundlegenden Fragestellungen für enorm bedeutsam und finden es auch wichtig, sie im Rahmen einer Mobilisierung gegen den WKR-Ball 2012 mit anderen antifaschistischen Kräften zu diskutieren. Das Bündnis ist unserer Meinung nach auf einem guten Weg genau jene Räume zu schaffen, die nötig sind, um Diskussionspunkte aufs Tapet zu bringen. Dabei gehen wir nicht davon aus, dass alle beteiligten Kräfte eine gemeinsame Meinung entwickeln werden. Die Debatte dennoch zu beginnen, scheint uns ein wichtiger Prozess zu sein – nicht um Willen der akademischen Diskussion, sondern um die Stärkung antifaschistischer Praxis. Der Brief der GRAS Wien stellt diesbezüglich leider einen Schritt in die falsche Richtung dar.



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Zuletzt aktualisiert am Montag, den 04. Juli 2011 um 11:50 Uhr  

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Unsere Treffen finden an jedem Freitag ab 18:00, im Amerlinghaus, Raum 4, erreichbar mit U2/U3 - Station Volkstheater (Stiftgasse 8, 1070 Wien), statt.

 

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