Die letzte Wahl
Griechenland hat am 6. Mai gewählt. Die meisten bürgerlichen Medien beklagten sich darüber, dass die Griech_innen in kurzsichtigem Zorn auf die beiden Großparteien gewählt hätten, doch eigentlich ist Griechenland das beste Beispiel dafür, was eine revolutionäre Situation in der politischen Landschaft verändern kann. Fast 8 Millionen Griech_innen gaben am Sonntag den 6. Mai ihre Stimme ab und die meisten von ihnen straften dabei die beiden Großparteien und vor allem deren Sparpolitik ab.
Die „sozialistische“ Partei (PASOK), die bei den letzten Wahlen 2009 noch überlegen mit 44% die Wahl für sich entschieden hatte, wurde zur Kleinpartei degradiert. Sie wurde nur drittstärkste Kraft und bekam eine Zustimmung von 13,2% Die zweite traditionelle Großpartei in Griechenland, Nea Dimokratia (ND), die sich mit der PASOK seit dem Ende der Militärdiktatur (1974) in der Regierung abwechselte, konnte zwar die meisten Stimmen auf sich vereinigen, stürzte aber auch auf 18,85% ab. Ihre rechtspopulistische Abspaltung, die „unabhängigen Griechen“ (ANEL), kam auf 10,6%. Die größte Gewinnerin der Wahl war aber eindeutig die „Koalition der radikalen Linken“ (SYRIZA), die ihre Stimmenanzahl mit 16,8% fast vervierfachen konnte. Die kommunistische Partei (KKE) kam auf 8,5% und konnte nur leicht zulegen, die „demokratische Linke“ (DIMAR, eine rechte Abspaltung von SYRIZA) schaffte es auf 6,1%. Aber auch die Neonazipartei „Goldene Morgendämmerung“ (Chrysi Avgi) zog erstmal mit 7% ins Parlament ein.
Regierungsbildung
Nach diesem Ergebnis war klar, dass die Regierungsbildung in Griechenland nicht leicht werden würde, ND-Chef Andonis Samaras wurde als erster mit der Regierungsbildung beauftragt, da seine Partei die meisten Stimmen bekommen hatte. Er scheiterte aber schon nach wenigen Stunden daran eine Regierung zu bilden, auch SYRIZA-Vorsitzender Tsipras scheiterte da er keine „linke Regierung“ zustande brachte. Aber auch Venizelos konnte in seinem letzten verzweifelten Versuch eine Koalitionsregierung der „pro-europäischen“ Parteien (seiner Meinung nach alle Parteien außer KKE und Chrysi Avgi) zustande bringen, da SYRIZA an so einer Regierung nicht teilnehmen wollte. Daraufhin verweigerte auch DIMAR ihre Teilnahme. Auch letzte verzweifelte Sondierungsgespräche von Staatspräsident Papoulias mit den Chefs der 3 stärksten Parteien (ND, SYRIZA, PASOK) und sein Vorschlag eine Expert_innenregierung zu bilden, scheiterten. Deshalb finden am Sonntag den 17. Juli Neuwahlen statt.
Aktuelle Umfragen widersprechen dem Bild, das bürgerliche Medien unmittelbar nach der Wahl verbreiten wollten. Die Griech_innen handelten nicht kurzsichtig um die traditionellen Parteien abzustrafen und würden daraufhin diesen Schritt wieder bereuen, vielmehr würde SYRIZA gestärkt aus Neuwahlen hervorgehen und eventuell sogar auf Platz 1 landen. (die sich oft widersprechenden Umfragen sagen 20-30 Prozent voraus). Aber auch Nea Demokratia wird im Vergleich zur letzten Wahl wieder leicht zulegen können, da die konservativen Wählerschichten sie als einen der letzten Anker gegen SYRIZA sehen. Deshalb wird es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten Platz (der nach griechischen Wahlsystem zusätzlich 50 Sitze im Parlament zugesprochen bekommt) zwischen SYRIZA und Nea Demokratia kommen.
Elende Lebensverhältnisse
Die griechische Jugend steht, genauso wie die Arbeiter_innenklasse, vor schwierigen Lebensbedingungen. Die Arbeitslosenrate liegt bei fast 22% (das entspricht ungefähr 1,1 Millionen Menschen ohne Job), die Jugendarbeitslosigkeit ist noch um einiges höher – sie liegt bei über 50%. Und wenn man überhaupt einen Job findet wird man mit einem Mindestlohn 586 € abgespeist. Viele Jugendliche sind obdachlos oder versuchen ins Ausland zu gehen. Da viele Familien es nicht schaffen ihre Kinder ausreichend zu versorgen, werden immer mehr Babys in Kinderheimen abgegeben. In vielen Arbeiter_innenvierteln leben die Menschen mittlerweile unter Bedingungen, die man sonst nur aus der sogenannten „3. Welt“ kennt – rund 200.000 Menschen sind auf Suppenküchen zum überleben angewiesen. Auch die Selbstmordrate stieg stark an, das wohl bekannteste Beispiel hiervon ist der Selbstmord eines Pensionisten am Syntagma-Platz in Athen (http://www.onesolutionrevolution.at/index.php/archiv/international/332-kapitalismusisttoedlichselbstmordeines77jaehrigenpensionsteninathen).
Mit den letzten Wahlen hat sich die Situation nicht verändert und sie kann sich auch nicht bedeutend durch Wahlen ändern. Die Situation Griechenlands wird heutzutage viel weniger von den Menschen selbst, als vielmehr von den Finanzmärkten bestimmt.
Die Politik der KKE
Während SYRIZA das griechische Sparprogramm gegenüber der EU für „null und nichtig“ erklärt hat und eine „linke Regierung“ bilden will, ist die sektiererische Politik der KKE nur kontraproduktiv. Sie verweigert konsequent jede sinnvolle Zusammenarbeit mit den anderen fortschrittlichen Kräften. Das trifft nicht nur in dem Aspekt der Regierungszusammenarbeit zu, sondern war auch während der Kämpfe gegen die Regierungen von Papandreou und später Papademos ein großes Hindernis. Die KKE (und ihre Gewerkschaft PAME) verweigerte gemeinsame Demonstrationen und Streiks und das führte letzten Endes auch zu ihrem schwachen Abschneiden bei den Wahlen. Nach aktuellen Umfragen wird sie bei der nächsten Wahl sogar viele ihrer Stimmen verlieren (vor allem an SYRIZA).
Obwohl die KKE die Partei der kämpferischsten und fortschrittlichsten Teile der Arbeiter_inneklasse Griechenlands ist, gelingt es ihr nicht eine revolutionäre Politik im Sinne der Arbeiter_innenklasse und Jugend zu machen. Am besten auf den Punkt bringt das wohl das Statement der KKE zum Ausgang der letzten Wahlen: „Wir halten den Fakt für bedeutsam […] dass wir uns unseren eigenen pro-europäischen, Pro-EU-Kräften in ihrer Gesamtheit, unabhängig von ihrer Haltung zum Memorandum (!), entgegengestellt haben“. Die KKE ist unwillig eine Einheitsfront gegen die Sparpolitik zu bilden und spaltet somit die Bewegung.
Das neue Programm von SYRIZA
Da SYRIZA bis vor kurzem offiziell noch ein Bündnis aus Parteien war, hätten sie bei einem Wahlsieg keine 50 Extrasitze im Parlament bekommen, da diese Regelung nur für Parteien gilt, deshalb wandelte sich SYRIZA nun in eine Partei um. Dabei wurde auch ein neues Wahlprogramm beschlossen, das 40 Punkte umfasst. Das Programm ist zwar immer noch ein reformistisches Programm, das sich weder gegen die bürgerlichen Produktionsverhältnisse richtet, noch die Zerschlagung des bürgerlichen Staates propagiert, aber da SYRIZA doch sehr großen Zulauf von vielen neuen Schichten der Arbeiter_innenklasse bekommt, ist es nötig an einigen Punkten des Programms anzusetzen und sie zu revolutionären Forderungen zuzuspitzen. So zum Beispiel mit der Forderung nach „Neuverhandlung der Schulden“. Für Revolutionär_innen muss es klar sein, dass nur die komplette Streichung aller Staatsschulden eine wirkliche Lösung im Sinne der Arbeiter_innen und Jugend ist.
Gefahren für die griechische Arbeiter_innenklasse und Jugend
In so einer zugespitzten Situation, in der sich Griechenland momentan befindet, bestehen nicht nur Chancen für eine Revolution, sondern an vielen Ecken lauert auch die Gefahr der Konterrevolution. Das zeigt sich am deutlichsten an den Faschist_innen der „goldenen Morgendämmerung“. Sie sind zu einem guten Teil bewaffnet und führen immer wieder Übergriffe auf Migrant_innen oder Linke durch. Chrysi Avgi hat gute Verbindungen zur griechischen Polizei, die ihrerseits auf Demonstrationen rabiat gegen Protestierende vorgeht (nach einer Untersuchung der Zeitung „To Vima“ wählten mehr als die Hälfte aller Polizist_innen die Faschist_innen). Das alles weist auf die Notwendigkeit von Selbstverteidigungskomitees der Jugendlichen, Linken und Migrant_innen hin, die sich lokal gegen Übergriffe zur Wehr setzen können und auch den Kampf um die Straße mit den Faschist_innen und der Polizei führen können. Da die Faschist_innen sich zu guten Teilen aus den durch die Krise ins Elend gestürzten Teilen der Bevölkerung rekrutieren, müssen auch soziale Forderungen einen zentralen Aspekt im Kampf gegen den Faschismus einnehmen.
Eine weitere, wenn auch momentan nicht allzu akute, Gefahr stellt das Militär dar. In Griechenland spielt das Militär traditionell eine große Rolle und in den verschiedenen Sparpaketen würde das Militär größtenteils von den Kürzungen ausgenommen. Dass das Militär historisch gesehen dazu in der Lage war eine Militärdiktatur zu errichten, beweisen uns 7 Jahre Militärdiktatur zwischen 1967 und 1974. Falls es zu einer weiteren Radikalisierung der fortschrittlichen Kräfte kommt, ist somit die Frage einer Arbeiter_innenmiliz von großer Wichtigkeit um sich einerseits gegen mögliche Übergriffe des Militärs zu Wehr setzen zu könne, andererseits auch um den Kampf um die Macht führen zu können.
Aufbau der direkten demokratischen Macht der Arbeiter_innen und Jugend
In der revolutionären Situation, in der Griechenland zurzeit steckt, war es für Revolutionär_innen immer das wichtigste Ziel eine Doppelmacht (also Machtorgane neben dem bürgerlichen Staatsapparat) aufzubauen. In Griechenland gibt es schon einige Ansätze, die diese Richtung zeigen, es gibt Aktionskomitees in Betrieben, Komitees die sich nach der Platzbesetzung des Syntagma-Paltzes gegründet hatten, Nachbarschaftskomitees, etc. Diese direkten Organe der Arbeiter_innenklasse und Jugend müssen zu echten Räten zusammengefasst werden und sich national zentralisieren, um eine Gegenmacht gegen dem bürgerlichen Staat aufzubauen. Sie sind der Keim einer neuen Gesellschaft und sie aufzubauen muss ein essentieller Bestandteil der Arbeit aller fortschrittlichen Kräfte in Griechenland sei!
Taktiken in der Krise
Die Frage wie es nach den Wahlen weitergeht steht unmittelbar im Raum. Durch die Wahlen vom 6. Mai hat die griechische Bevölkerung ein Votum gegen die Sparpolitik der Troika abgegeben, und es ist an der Zeit diese demokratische Entscheidung zu erfüllen. Syriza will nach den Wahlen eine „linke Regierung“ oder „Anti-Austeritätsregierung“ mit KKE und DIMAR (und sogar eventuell mit den Arbeiter_innenverräter_innen von PASOK!) bilden, welche ein Referendum über die Rückzahlung der Schulden einleiten soll mit dem Ziel die Schulden neu zu verhandeln, beziehungsweise vorübergehend einzufrieren. Auch wenn es relativ unwahrscheinlich ist, dass eine solche Regierung zu Stande kommen wird, muss die Unzulänglichkeit eines solchen Projekts kritisiert werden. Eine solche linke, immer noch bürgerliche Regierung, könnte – solange sie mit dem Privateigentum an Produktionsmitteln nicht bricht – wird sich eher früher als später als Regierung der Krisenverwaltung nur wieder gegen die Arbeiter_innen stellen.
Gleichzeitig darf den offen bürgerlichen und reaktionären Kräften nicht das Feld überlassen werden, sie würden die Sparlogik weiter durchsetzen und die Regierung und Staatsgewalt gegen fortschrittliche Kräfte richten und rüsten, während die Massen sich durch die linksreformistischen Kräfte enttäuscht nach rechts wenden könnten. Statt dessen muss Druck auf SYRIZA und KKE ausgeübt werden ihren Einfluss – besonders nach möglichen Neuwahlen – zu nutzen um eine Regierung der Arbeiter und Arbeiterinnen zu bilden! Eine solche Regierung müsste einen Bruch mit Sparlogik und Kapital einleiten und den Klassenkampf auf eine höhere Stufe tragen, während sie ihre Macht gleichzeitig auf die Macht der mobilisierten Arbeiter_innen und Unterdrückten stützen muss. Sie muss den Aufbau von Räten befördern, bewaffnete Milizen aufbauen, und Arbeiter_innenkontrolle in den Betrieben einleiten, sowie die Konterrevolution (in diesem Fall vor allem Chrysi Avgi und die Spezialeinheiten der Polizei) entwaffnen. Wir haben keine Illusionen darin, dass SYRIZA oder die KKE solche Maßnahmen einleiten, deswegen benötigen wir eine revolutionäre Partei, sowie eine unabhängige revolutionäre Jugendorganisation welche für ein Programm mit folgenden revolutionären Forderungen kämpfen kann:
- unabhängige Organe der Arbeiter_innenklasse und Jugend (Aktionskomitees in Fabriken, Stadtteilen, Schulen, sowie Räte, etc.)
- Bildung von Selbstverteidigungskomitees gegen Übergriffe von Polizei und Faschist_innen
- Bildung einer proletarischen Miliz unter Kontrolle einer Doppelmacht von Räten
- Aufteilung der Arbeit auf alle Hände ohne Lohnverlust! Gegen das Ausspielen von Arbeitslosen gegen Arbeitende
- Gleitende Inflationsanpassung von Löhnen, Pensionen und anderen staatlichen Unterstützungen
- Arbeiter_innenkontrolle in den Betrieben
- Massive Besteuerung von Reichtum und Kapital
- Streichung aller Schulden bei ausländischen und inländischen Finanzinstituten und Banken
- Verstaatlichung aller Banken und Zusammenfassung zu einer Zentralbank
- Verstaatlichung der Schlüsselindustrie unter Kontrolle der Arbeiter_innenklasse
- Überleitung in eine demokratisch-geplante, sozialistische Wirtschaft
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